#1 Saitenwechsel in Hietzing


Michael Eipeldauer ist eigentlich Goldschmied. Aber seine Leidenschaft gehört der Gitarre. Er restauriert sie. Er spielt sie. Er verkauft sie. Und er weiß eine Menge über sie.  Er hat sich auf die Kontragitarre spezialisiert, die den Bass integriert hat - und das hat mit der Wiener Heurigen-Kultur zu tun, sagt er:  Die Lokale waren zu klein für einen Kontrabass und die Gage musste nicht noch mit einem Bassisten geteilt werden. Die größte Sünde ist für ihn, "ein Instrument nicht zu spielen". 

#2 Von Kjustendil nach Penzing

In Kjustendil ist sie geboren, in Sofia hat Adriana Galabova Tibetisch und Kunst studiert. Angekommen in Wien hat die Bulgarin Geld mit Tätigkeiten verdient, für die man die deutsche Sprache nicht sprechen muss: Sie putzte und hütete das Kind einer Prostituierten, während die ihre Freier bediente. Sie hat Deckenfresken restauriert, einen Törtchenpavillon aufgebaut -  und sie hat sich einen Traum erfüllt: Ein eigenes Atelier im 14.Bezirk. Schon längst hat sie den rot-weiß-roten Pass. "Wien ist meine Heimat", sagt die Neo-Österreicherin. 

#3 Der "Kulturmuslim" aus Brigittenau

Nedad Memić ist in Sarajevo geboren, hat die Belagerung der Stadt hautnah erlebt. In der Schule galt er als Štreber, erzählt der Germanist und Anglist, der über Balkandeutsch promoviert hat. Sein Studium in Sarajevo begann er in einer kriegsversehrten Stadt "beim letzten Englisch-Professor", der geblieben war. Als Chefredakteur des Wiener Magazins Kosmo hat er die zweisprachige Brücke zwischen Wiener Balkan-Community und "unten" geschlagen. Wien sei "die letzte Hauptstadt Jugoslawiens" meint er und "Tschusch" längst kein Schimpfwort mehr. 

#4 Wiener Blues vom Kieberer 


Peter Steinbach ist so, wie man sich einen Wiener aus dem Arbeiterbezirk Favoriten vorstellt: Kernig, bodenständig, mit Augenzwinkern, seine Vita ein buntes Potpourri. Früher war er mal Polizeihundeführer. Bis heute liebt er Hunde und Harley. Und damit ihm in der Pension nicht fad wird, schreibt er historische Bücher über seine Heimatstadt und deren historische Kriminalfälle, den Wiener Blue(s) singt er schon lange....Copyright Musik: Wiener Blue(s), mit freundlicher Genehmigung Peter Steinbach.

#5 Freigeist im Balkaneck 


Eigentlich ist Christoph Baumgarten Steirer, lebt aber schon lange in Ottakring. Im Jugo-Grätzel kennt er sich aus, den albanisch-serbisch-bosnischen Sound des 16. Bezirks liebt er, Balkanstories schreibt er in seinem gleichnamigen Blog auf. Die Drähte in den Balkan reichen bis in seine Kindertage zurück. Einige Jahre arbeitete er als Reporter für das Landesstudio des ORF in St.Pölten, in einem "nicht ganz unkatholischen Umfeld". Als Freidenker legte er sich mit der katholischen Kirche an, schrieb über die Geldschatullen der Religionsgemeinschaft ein Buch, er müsse da aber „biographisch nichts abarbeiten“. Der Wiener ist für ihn vor allem eins: „extrem widersprüchlich“. 

#6  Piefke in der Austro-Diaspora 

Jockel Weichert lebt schon seit zwei Jahrzehnten in Wien, die Stadt sei schon damals „Tor zum Osten“  und "ziemlich abgefuckt" gewesen. Genau das mag er, auch wenn er dabei schon mal im ungarischen Grenzgebiet verloren ging, "wo man die Erdkrümmung sehen konnte". Weil sich der frühere Musikmanager nicht mehr schämen wollte, der deutschen Fußball-Elf die Daumen zu drücken, gründete er die „Piefke-Connection“. Und die hat immer mehr Zulauf. Der typische Wiener ist für ihn nicht das, was Japaner und Russen in Schönbrunn sehen, sondern "der Grantler am Würschtlstand". 

#7  Fragenstellerin 

Die Kärtnerin Franziska Tschinderle hat ein Faible für Auslandsberichterstattung. Ein halbes Jahr lang lebte und recherchierte sie in Tirana für ein Buch. Immer wieder zieht es sie für ihre Reportagen in den albanisch-sprachigen Raum. Berühmt wurde sie ausgerechnet durch das ungarische Staatsfernsehen und die Headline "Journalistin provoziert mit Fragen". Für queere Menschen wie sie könne Wien ein Ort der Befreiung sein, vor allem für homosexuelle Männer aus dem arabischen Raum, glaubt sie.

#8 Mit Slimheli unter die Haut

Groß geworden ist Helmut Zeiner in der Donaustadt, "unter Roma und Sinti". Der Eishockey-Profi war Breakdancer, ein Energiebündel. "In mir stecken mehrere Personen", sagt er. Durch Zuschauen und Nachfragen lernte er das Tätowieren. Heute tragen Fußballstars wie Arnautović, Alaba und viele andere seine Handschrift auf der Haut. "Wien ist nicht mehr, was es mal war", beklagt sich Slimheli, es werde kein Klartext mehr geredet. Er mag es ungefiltert: "Wennst mir am Oarsch gehst, gehst mir am Oarsch". 

 #9 Sprachintegrator 

Goran Novaković kam aus Belgrad nach Wien, bevor der "Wahnsinn" auf dem Balkan begann, wie er die Kriege der 1990er Jahre nennt. Der Literaturwissenschaftler kommt aus einer "proletarischen" Familie, ist bekennender Sozialist und besessen von Sprachen. Zum 20.Jubiläum seiner Einbürgerung machte er sich mit einem Kameramann auf die Suche nach dem Wesen des Österreichers, und irritiert durch T-Shirts in Čušendajtš. Er hält Wien wegen des sauberen Trinkwassers, der guten Luft und der niedrigen Kriminalitätsrate für einen "Großstadt-Kurort". 

#10  Wien-Flaneur 

Eugene Quinn hat nordirische Wurzeln, ist aber ein waschechter Londoner. Er brach die Schule ab, schlug sich als Proband für Medikamentenversuche durch, arbeitete für die BBC. Der Liebe wegen kam er nach Wien, wo er Menschen zusammen bringt. Er ist ein leidenschaftlicher Spaziergänger, öffnet den Kopf für neue Perspektiven. Bekannt wurde er durch die "Ugly Vienna Tours". Er hält das sozialdemokratisch regierte Wien für eine Stadt, die sich noch um die Schwächsten kümmert. Sein Start-Up: https://whoosh.wien/

#11  Politikerin unterm Regenbogen 

Faika El-Nagashis Mutter ist Ungarin, ihr Vater Ägypter. Als sie Kind war, zog die Familie von Budapest nach Wien. Hier fühlte sie sich zunächst "von oben herab" behandelt, erinnert sie sich, das "N-Wort" sei ihr nachgerufen worden. Ihr Coming Out ohne Internet beschreibt sie als schwierige Suche nach der eigenen Identität. Heute engagiert sich die Grünen-Politikerin für die drei M: Migranten, Menschenrechte, Minderheiten. Dass sie mit ihrer Partnerin den gemeinsamen Sohn aufzieht, überfordert manche. Wien biete für Regenbogenfamilien dennoch einen guten Rahmen, sagt sie. 

#12  Praterkind 

Das Wiener Riesenrad ist das Wahrzeichen der Stadt. Es steht im Wurstlprater, dem Vergnügungspark in der Leopoldstadt. Der Wurstlprater ist Stefan Sittler-Koidls Universum. Der Chef der Praterunternehmer entstammt einer alten Schausteller-Dynastie, hat schon als Kind die "Röhrl am Schießstand gesteckt" und lebt mit seiner Familie bis heute backstage hinter dem Blumenrad, einem seiner Fahrgeschäfte.  Bei der Brautschau hat er es "wie die Habsburger" gemacht - er heiratete eine Frau aus einem anderen Prater-Clan. Selbst Urlaube verbringt er in anderen Vergnügungsparks, um sich dort Inspirationen zu holen. 

#13 Kim kocht für Wien

Schon ihre Mutter betrieb in Südkorea ein Restaurant, ihr Vater war früh gestorben. Wegen der politischen Unruhe schickte ihre Mutter ihre einzige Tochter nach Europa, so kam Sohyi Kim nach Wien. Hier wurde sie erst einmal Modedesignerin, heute entwirft die Sterneköchin Menüs, die nicht nur gut aussehen. Auf ihrem YouTube-Kanal lässt sie die Netzgemeinde an ihrer Freude am Kochen teilhaben. Die Restaurantbetreiberin ist die 5-Elemente-Antwort auf Wiener Schnitzel und Blunzn....ihre Crossover-Küche vereint Thunfisch und Grammeln. 

#14  Vom Flüchtlingskind zum Balkanexperten 

Vedran Džihić stammt aus Prijedor, einem Ort, der im Bosnienkrieg traurige Berühmtheit erlangte. Nicht weit entfernt befand sich das berüchtigte Lager Omarska, wo gefoltert und vergewaltigt wurde. Vedran Džihić kam als Flüchtlingskind nach Österreich. Heute ist der Wiener Politologe einer der renommiertesten Balkanexperten des Landes. Wien nennt er mittlerweile "Heimatstadt", den bosnischen Pass hat er behalten. 

#15 Der Osteuropa-Versteher

Paul Lendvai ist ein Zeitzeuge des Jahrhunderts. Der Journalist ist als einziges Kind einer jüdischen Bürgerfamilie in Budapest geboren, viele seiner Familienmitglieder wurden in Auschwitz ermordet. Nach dem Ungarn-Aufstand kam er nach Wien und blieb. Er war mit Bruno Kreisky bekannt, dessen Biographie er verfasste. Er gab ein Vierteljahrhundert lang die „Europäsche Rundschau“ heraus, mit seiner Frau Zsóka gründete er einen Verlag, spezialisiert auf ungarische Literatur. Auch mit Anfang 90 schreibt er noch jede Woche eine politische Kolumne, seine Bücher sind mit vielen Preisen geehrt worden. „Mein Vermächtnis sind meine Bücher“, sagt er.

#16  Buddha ist ein Wiener

Ronny Kokert hat als Jugendlicher monatelang im Krankenhaus gelegen. Eine traumatische Erfahrung, aus der er sich mit asiatischen Kampfkünsten aufrappelt, er wird sogar Taekwondo-Weltmeister. Während der Flüchtlingskrise lernt er Flüchtlinge im Lager in Traiskirchen kennen. Seitdem trainiert er die "Freedom Fighters" auch in seinem Wiener Dojo, hilft den Afghanen bei ihren Asylverfahren und bei der Suche nach einer Lehrstelle. Mehrfach besuchte er Europas Schandfleck, die Flüchtlingslager Moria und Karatepe in Griechenland. "Ein Verbrechen", sagt er. 
Copyright Musik: Kiai, Teajoint Records, mit freundlicher Genehmigung von Ronny Kokert.

#17 Bestsellerautorin aus dem Gemeindebau

 

Menerva Hammad hat ägyptische Wurzeln, ist aber in Wien-Floridsdorf und der Donaustadt aufgewachsen, "zwischen Proleten und Rechtsradikalen", sagt sie, im Gemeindebau. Ihr Kopftuch triggert Hass, im Burkini an der Donau wird sie bespuckt, das N-Wort wird der Muslima nachgerufen. Heute schreibt die Journalistin und Mutter Bestseller - über Frauen, Sex und Mutterschaft -  und durchstößt damit eine gläserne Decke, errichtet von Lehrer und Lektorin. Sie ist Nomadin, lebt in Texas, in Schottland, in Kuwait, in Abu Dhabi, die Zusatzausbildung zur Sexualpädagogin ist daher auf standby. Fixpunkt für die Feministin bleibt Wien, "manchmal Alptraum, immer daham".  

#18 Jeder ist ein Sikh
 

Gursharan Singh Mangat kam als Kind ins Flüchtlingslager Traiskirchen. Seine Familie war vor dem ugandischen Diktator Idi Amin geflohen. Der junge Sikh wuchs im Arbeiterbezirk Favoriten auf, wo sie ihn "Tschusch" oder "Chinese" nannten. Seit einem Vierteljahrhundert importiert er asiatische Lebensmittel und ist Obmann der Wiener Sikhs. Während der Flüchtlingskrise organisierte er die Speisung der Vielen. "Jeder ist ein Sikh" (Schüler) bringt er sein spirituelles Credo auf den Punkt und verrät, dass Haare gar nicht so lang werden, wenn man sie nicht schneidet. 

#19 Balkanbilly

Orges Toçe ist Vollblutmusiker. Der Sohn einer Komponistin und eines Schauspielers wuchs in Tirana schon mit Musik auf, dort studierte er selbst Violine. Nach ein paar Jahren in Spanien kam er 2003 nach Wien, hier studierte er Jazzgitarre. In verschiedenen Formationen macht er klassische und moderne Musik, mit seiner Band "Ockus Rockus" schlägt er die Brücke zum Balkan, mit albanischen Texten und einem Crossover, den er "Balkanbilly" nennt. Das Rock´n´Roll-Leben ist sehr anstrengend, sagt er, "zuviel Schnaps, zuwenig Bewegung“.


#20 Bilal Al-Beirouti, vom Journalisten zum Bimfahrer

Als Journalist war er im Syrien-Krieg allen Seiten suspekt. Deshalb floh der Syrer aus Damaskus zunächst in den Libanon, dort schwärzte ihn sein Onkel bei der Polizei an. Er musste wieder weg. Ein Schlepper sprach ihn in Izmir an, weil er auf Arabisch telefonierte. In einem Schlauchboot setzte er über das Meer. Seine Tochter hat er erst nach der Familienzusammenführung in Wien kennengelernt. Mittlerweile lebt die Familie hier. Er hat einen festen Job als Bim-Fahrer. Entlang seiner Strecken kann er die Vielfalt der Stadt ausmachen: Araber, Jugos, Türken, Juden prägen das Bild der Wiener Bezirke. Das babylonische Sprachgewirr hört er in seiner Bim.


#21 Tschuschen-Rap

Enes und Esra Özmen sind EsRap. In Ottakring sind die Geschwister aufgewachsen, ihre Großeltern waren einst als Gastarbeiter aus der Türkei gekommen. In der Schule hat Esra ihr Leben in der Zwischenwelt in Gedichte gegossen, die fing sie irgendwann an zu rappen. "Der Tschusch ist immer da" ist ihr Kommentar zur Wiener Arbeitswelt, sie singen über das Fremdsein, "Tschuschistan" und hauen "Ausländer mit Vergnügen" in your face. Tschuschistan ist ihr idealer Ort, ein Gefühl von Heimat.

#22 Sonderausgabe Tschuschenaquarium - das Buch zum Podcast

Gespräch mit Verleger Thomas Zehender (danube books)


Am Anfang war der Podcast, dann kam das Buch. QR-Codes verbinden Texte und Podcasts. Aus Tschuschenaquarium ist ein Multimedia-Projekt geworden. Ein Mehrwert für alle.


#23 Die Soldatin des Wortes

Der Liebe wegen kam sie nach Wien, das schon nach dem Ersten Weltkrieg viele Ukrainer anzog. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine 2022 ließ Bachmann-Preisträgerin Tanja Maljartschuk als Autorin zunächst verstummen.  "Worte haben diesen Krieg nicht verhindern können", sagt sie. Die Worte werden hinterher gebraucht, "damit wir nicht verrückt werden". Sie spricht über die Traumata ihres geschundenen Landes, das ukrainische Wien und Emigration. 

#24 Leidenschaft Multikulti-Armee

Tamara Scheers Steckenpferd ist die KuK-Armee. Aber die mit dem Staatspreis für Geschichte ausgezeichnete Militärhistorikerin interessiert sich weniger für Granaten und Mörser, als für Armeeslawisch und Vielsprachigkeit der Truppe, denn das babylonische Sprachengewirr ist ein Symbol für das Vielvölkergemisch der Donaumonarchie. Das Vielfältige nimmt zu, meint Tamara Scheer und freut sich über die zunehmende „Ottakringisierung“ Wiens. 


#25 Der Ukraine-Krieg-Erklärer

In der Militärakademie in Wiener Neustadt bildet Oberst Markus Reisner Offiziere für das österreichische Bundesheer aus. Weil er seine Erklärvideos zum Ukrainekrieg mittlerweile auch einem Millionenpublikum auf YouTube zur Verfügung stellt, wurde der Niederösterreicher 2022 als "Militär des Jahres" geehrt. Mittlerweile ist er auch Kommandeur der Wiener Garde. Seine Auslandseinsätze in Afghanistan, in Afrika und auf dem Balkan haben ihn "demütig" gemacht, sagt der studierte Historiker und Jurist. 

#26 Die TikTok-Oma

Renate Kaufmann war Lehrerin und sozialdemokratische Bezirksvorsteherin im 6. Wiener Gemeinde-Bezirk (Mariahilf). Gegen viele Widerstände und mit Hilfe der Grünen hat die SPÖ-Politikerin die Begegnungszone MaHü  durchgedrückt.  In der Pension startet die Politikerin nun als Oma-Influencerin durch: Sie bloggt und produziert Koch-Videos, die sie auf Instagram oder TikTok stellt. Mehr als eine Million User klickten ihr Mayonnaise-Rezept an. „Das ist ein Weg, mit jungen Menschen ins Gespräch zu kommen“, sagt sie. 

#27 Danny LoCascio

Danny LoCascio kam vor vielen Jahren als Lehrer nach Wien, unterrichtete an internationalen Schulen. Seine Herkunft trägt er im Künstlernamen:  Als Danny Chicago singt er den Blues, im freien Radio Orange stellt er seit Jahren Bluesmusiker aus Wien vor. Durch die Linse eines Fotoapparates schaute der Amerikaner auf die Donau-Metropole, in der er seit vielen Jahren lebt - nachts, während des Lockdown. 

Neue Episoden in Planung....

Neue Episoden in Planung.....

Tschuschenaquarium ist mein Hobby. Du kannst mich unterstützen: Über den Steady-Button (oben) geht es zu einer Mitgliedschaft, schon ab einem (kleinen) Bier im Monat bist Du dabei.